Warum wir sorgsamer mit Bäumen umgehen sollten

 

Bäume und ihre Wohlfahrtswirkungen im städtischen Siedlungsraum

von Marc Wilde, Sommer 2011

Wohlfahrtswirkungen durch Straßen- und Stadtbäume

Obwohl Bäume in der Stadt in den Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung (ESG 1987) als Straßenmobiliar definiert werden und somit Sitzmöbeln, Wasserspielen oder Pflasterbelägen gleichgestellt werden, sind sie für Bewohner in verdichteten Innenstädten mit ihrer Vielzahl an möglichen Wohlfahrtswirkungen oftmals ein Garant für ein lebenswerteres Wohnumfeld. Hierbei sind es vor allem nachfolgende Funktionen, die zu einem erhöhten Wohlbefinden der Menschen beitragen können:

Luftqualität: Filterung von Staub und gasförmigen Luftverunreinigungen

Mikroklima: Begrenzung von Temperaturextremen, erhöhen der relativen Luftfeuchte

Lärmminderung: reduzieren von Lärmwahrnehmungen

Identifikation: Erhöhung der Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnumfeld

Windbremse: Reduzierung der Windgeschwindigkeiten

Wassermanagement: Wasserspeicherung & Reduktion von Abwasserspitzen

Immobilienwert: Erhöhung der individuellen Immobilienwerte

Biodiversität: Lebensraum für eine Vielzahl von Lebewesen

CO2 Haushalt: Fixierung von CO2

Landschaft: Einbindung in die umgebende Landschaft

Raumwirkung: Nachhaltige Gestaltung von Straßen, Wohnvierteln und –plätzen

Verkehrsführung: Gliedernde Elemente in Verkehrsräumen

Die Farbe Grün: Grünanteile als aktiver Beitrag zu Erhöhung der Wohnqualität

Peter Werner führt in seiner Veröffentlichung zur Fragestellung Klimawandel, was tun? (Stadt & Grün, 12/2010, Seite 11 ff.) wie folgt aus: …Der Klimwandel findet statt. Insbesondere die großen Städte und Ballungsräume stehen dabei vor besonderen Herausforderungen, denn dort werden die Auswirkungen deutlicher zu spüren sein als anderswo. Von der Vielzahl der derzeit diskutierten Strategien zur Klimaanpassung in unseren Städten ist vor allem das Augenmerk auf die grüne Infrastruktur gerichtet. Dies zu qualifizieren wird als vorrangige Notwendigkeit angesehen, um die erwarteten Folgen des Klimawandels in unseren Städten zu mildern.‘ Als Gründe für eine Regulierung des Stadtklimas durch eine qualifizierte Grüngestaltung führt Werner u.a. folgende Parameter eines sich ändernden Klimas in Ballungsräumen an:

- Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen

- Zunahme von Hitzewellen im Sommer

- Veränderungen der Niederschlagsmenge im Jahresgang

- Zunahme der Starkniederschläge

- Steigende Hochwassergefahr im Winter und Frühjahr

- Zunahme der Winterstürme

- Zunahme extremer Hagelereignisse, Tornados und Starkgewittern

Neben der Prognose eines sich zukünftig ändernden Stadtklimas sind es aktuell vor allem die erhöhten, nachweislich krankheitsfördernden Feinstaub- und Ozonbelastungen, die bundesweit zur Aufstellung von Aktionsprogrammen geführt haben, um eine Verminderung dieser Belastungen zu erreichen. Neben den erhöhten Feinstaubbelastungen in der Stadtluft wirken sich die nachweislich erhöhte Lufttemperatur sowie eine reduzierte Luftfeuchte in Kombination mit lokal veränderten Luftfeldern negativ auf die Lebensumstände der Stadtbewohner aus. Der hohe Versiegelungsgrad in den Ballungszentren führt zu einem erhöhten Aufheizen der unmittelbaren Umgebungsluft. Fehlen grüne Verdunstungsflächen sowie offene Versickerungsflächen für Niederschläge, ist die Luftfeuchtigkeit im Vergleich zum Offenland um 5-10 % reduziert (Ohlwein, 1989). Schließlich ist der Windkomfort oft durch größere Baukörper beeinträchtigt, so dass Böen oder unerwünscht hohe Windgeschwindigkeiten auftreten können. Die Regulierung des Stadtklimas durch eine nachhaltige Grüngestaltung sind hierbei u.a. auch eine der Beweggründe der Stadt Oberhausen zur Fortsetzung des Alleenprogramms sowie der mit diesem Programm angestrebten, nachhaltigen Entwicklung des Straßen- und Stadtbaumbestandes.In dem nachfolgenden Kapitel werden die einzelnen, klimarelevanten Wohlfahrtswirkungen von Stadt- und Straßenbäumen zunächst allgemein erläutert und dargestellt.

Luftqualität: Filterung von Staub und gasförmigenLuftverunreinigungen

Feinstäube gelten von allen Schadstoffen in der Atemluft als die gefährlichsten. Die nachteiligen Wirkungen von hohen Feinstaubbelastungen der Außenluft auf die menschliche Gesundheit sind durch eine Vielzahl epidemiologischer Untersuchungen belegt. Diese Wirkungen werden bei Konzentrationen von Feinstäuben beobachtet, wie sie derzeit auch in dicht besiedelten und industriell beanspruchten Städten des Ruhrgebietes anzutreffen sind (Aktionsplan Umwelt und Gesundheit NRW in www.apug.nrw.de). Feinstaub kann das Herz – Kreislaufsystem und die Atemwege schädigen. Er steht zudem im Verdacht, krebserzeugend zu sein. Die ultrafeinen Partikel sind extrem lungengängig und können Entzündungen und Vergiftungen hervorrufen. Während für größere Staubpartikel verschieden Abwehrmechanismen im Körper bereit stehen, ist der menschliche Organismus den Fein- und Feinststäuben ohne körpereigene Filtermöglichkeit oder Abwehrreaktion ausgesetzt. Wissenschaftler konnten inzwischen nachweisen, dass diese ultrafeinen Staubpartikel in die Blutzirkulation, das Herz, Leber und andere Organe transportiert werden und selbst in das Hirn vordringen können.

Was ist Feinstaub:

Als ‘Staub‘ oder ‘Partikel‘ werden, unabhängig von ihrer Größe und chemischen Zusammensetzung- alle festen oder flüssigen Schwebstoffe bezeichnet, die in der uns umgebenen Luft enthalten sind. Hierbei sind vor allem die feinen Staubteilchen mit einem Durchmesser unter 10 Mikrometer (10 μm) für die menschliche Gesundheit von Bedeutung, da von ihnen eine hohe Gesundheitsgefährdung ausgeht. Bezogen auf städtische Ballungsraume in Deutschland entfallen 25 % der Immissionen auf Abgase und Aufwirbelungen des lokalen Verkehrs. Weitere 25 % entfallen auf die städtische Hintergrundbelastung, wovon 15 % ebenfalls verkehrsbedingt sind. Die verbleibenden 50 % stammen aus weiter entfernten Quellen, wobei auch davon noch etwa 8 % vom Verkehr stammen (Beispiel Berlin). Hieraus lässt sich folgern, dass in stark KFZ frequentierten Straßen etwa 50 % der Feinstaubbelastung dem Verkehr zugerechnet werden können. (Quelle: Infobroschüre des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Handeln gegen Feinstaub, 2008).

Neben dem Feinstaub können noch weitere, schädliche Luftbestandteile in erhöhten Konzentrationen auf den Verkehr zurückgeführt werden. So entstammen Stickoxide (Summe aller Stickstoffmonoxide sowie Stickstoffdioxide) und flüchtige, organische Verbindungen den Autoabgasen. Zudem bildet sich aus NOx sowie flüchtigen, organischen Stoffen, die oftmals Autoabgasen entstammen (FOS), unter der Einwirkung von Sonnenlicht Ozon. Hohe Ozonkonzentrationen entstehen hierbei bevorzug im Sommer und stehen im Verdacht, in Kombination mit Feinstäuben Gesundheitsschäden hervor zu rufen.

Luftqualität: Bäume als Luftfilter

Die Leistung von Bäumen, Gehölzen und flächigen Grünstrukturen zur Staubfilterung wird von mehreren Variablen bestimmt. Die Korngröße des Staubes, Größe und Ausstattung der Blattflächen, Ausbreitungsbedingungen und Emissionsbedingungen spielen eine Rolle (VDI Kommission, 1988). Allein durch geringere Erwärmung der Luft ist die Staubaufwirbelung niedriger, durch eine höhere Luftfeuchtigkeit sind die Staubpartikel schwerer und lagern sich an die Grünmasse an. Das Laub bildet eine Art Filter, in dem sich Staub absetzen und beim nächsten Regen abgewaschen werden kann. Schließlich können Bodeninversionen über größeren Grünflächen die Filterwirkung begünstigen. Deshalb beträgt der Staubgehalt der Luft in weitläufigen Parkanlagen oftmals nur etwa 1/6 derjenigen in bebauten Stadtzentren.

Wie genau Bäume als Luftfilter fungieren können, ist inzwischen in einer Vielzahl von Untersuchungen erforscht worden. Hierbei lassen sich zwei unterschiedliche Filtereffekte unterscheiden:

Direkte Effekte: Blattoberflächen können Stäube entweder im Verlauf der Vegetationsperiode anreichern oder durch selbstreinigende Oberflächenstrukturen vermeiden. Wahrscheinlich führt die Selbstreinigung durch Zusammenballung zu Grobstäuben ebenfalls zur Abscheidung von Feinstäuben. Zudem können Blätter gasförmige Luftverunreinigungenbinden.

Indirekte Effekte: Pflanzenbestände verändern die Luftströmung. Dies beeinflusst die lokale Konzentration, Verteilung und Abscheidung von Stäuben und Luftschadstoffen und ermöglicht eine deutliche Minimierung der Belastungssituation.

Im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen wurde nachvollziehbar dargestellt, das Bäume und Baumreihen in Ballungszentren als visuelle Abschirmung zu Lärmquellen eine wichtige, psychologisch wirksame Funktion für die jeweiligen Anwohner übernehmen können und so dazu beitragen, dauerhaft erzeugten Verkehrslärm weniger stark wahrzunehmen.

Bäume als Windbremse

Die Wirkung von Baumreihen oder Alleen als Windbremse in innerstädtischen Straßenschluchten wird oftmals unterschätzt. Dabei können Bäume, Baumreihen und Baumgruppen den Wind lenken und zum Teil deutlich abbremsen. Hierdurch lassen sich "Kanalwirkung und Schluchtcharakter" einer Straße mildern oder sogar beheben. Ein weiterer, sehr wichtiger Faktor bei der Betrachtung der Funktion von Stadtbäumen als Windschutz ist, neben der Verringerung der Windgeschwindigkeit, die Veränderung der Luftturbulenzen, die helfen, das lokale Mikroklima zu verbessern. Dies geschieht, indem über Luftturbulenzen gewährleistet werden kann, dass die unmittelbare Umgebungsluft durch die feinstaubfilternden Kronen der Bäume hindurch geleitet und so eine Vermischung der verschiedenen Luftzonen ermöglicht wird. Diese Vermischung führt unmittelbar zu einer direkten Veränderung der Zusammensetzung des Mikroklimas im näheren Umfeld des jeweiligen Baumstandortes. Eine abgestufte Baum- und Gehölzreihe wirkt auf das angrenzende Umfeld und verringert die Windgeschwindigkeiten. Das geschützte Gebiet ist 15 – 20 mal so lang wie die Höhe der Baumreihe. Neben der Verringerung der Windgeschwindigkeit ist vor allem von Bedeutung, dass die Feinstaubkonzentration der durch die Baumreihe hindurchströmenden Luft im geschützten Bereich deutlich reduziert wird.