Charta Zukunft Stadt und Grün

 

Urbanes Grün kann einen wesentlich größeren, bedeutenderen Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung leisten als bisher

Herausgeber: Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) Alexander-von-Humboldt-Str. 4, 53604 Bad Honnef, www.galabau.de, © BGL 2014, 4-2015, 4-2016

Entsprechend spezifisch stellt sich die Frage nach einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Entwicklung ihrer Freiflächen.

Wachsende Städte breiten sich potenziell immer weiter in die Umgebung aus: Die Inanspruch-nahme von Flächen steigt. Naturräume und Kulturlandschaften gehen unwiederbringlich verlo-ren, mit ihnen die Vielfalt der Arten in Fauna und Flora und die Vielfalt der Lebensräume. Auch die Regenerationsfähigkeit der Luft wird eingeschränkt und die stadtklimatischen Bedingungen verschlechtern sich.

Städte, in denen die Zahl der BewohnerInnen zurückgeht, stehen vor anderen Herausforde-rungen: Wie können frei werdende Immobilien und zusätzliche Brachflächen sinnvoll genutzt werden? Wie bleibt eine schrumpfende Stadt für ihre Bewohner attraktiv und wie kann sie neue Bewohner anziehen?

Kurze Wege zur Arbeit, zur Nahversorgung und -erholung sowie nach Hause, ein attraktives Freizeit-, Sport- und Kulturangebot – Menschen wollen im Sinne einer gelungenen Work-Life-Integration in einer vitalen Stadt der kurzen Wege leben bzw. arbeiten und gleichzeitig von viel Grün umgeben sein. Mit dem Wunsch nach mehr Grün in der Stadt wächst auch das Bewusstsein für den Wert von urbanem Grün bei den Bürgern – quer durch alle sozialen Schichten. Wenn es um die Realisierung von „grünen Städten“ geht, spielt städtisches Grün in Relation zu technischen Lösungen – Maßnahmen zur energieeffizienten Gebäude-sanierung, zur Nutzung erneuerbarer Energien oder zur Verbreitung von Elektromobilität – zurzeit nur eine untergeordnete Rolle. Die „grüne Stadt“ wird begrifflich in Folge oft gleichgesetzt mit der CO2-neutralen Stadt – eine Definition, die deutlich zu kurz greift. Städte mit viel lebendigem Grün sprechen die Menschen –also die hier wohnende und arbeitende Bevölkerung, Gäste, Sportaktive, Touristen – deutlich emotionaler an als Kommunen, die Nachhaltigkeit primär auf technisch-industrielle Lösungen stützen. Lebensqualität entsteht nicht allein durch die Anwendung hoher technischer Nachhaltigkeitsstandards und die Installation entsprechender Anlagen. Auch die sinnliche und wohltuende Erfahrung lebendigen Grüns in unmittelbarer Nähe schafft die Voraussetzung für eine enge Bindung der Menschen an ihre Stadt. Eine „grüne Stadt“ kann nur dann eine „grüne Stadt“ sein, wenn sie – neben anderen Merkmalen wie CO2-neutral oder autofrei – wesentlich mitgeprägt ist von einem hohen Anteil an Parks, Sport-, Spiel-, Kleingarten- und Freizeitanlagen und dabei auch Räume für Naturerleben und Bereiche natürlicher Entwicklung von Flora und Fauna schafft.

Es gilt, die Planung, Ausführung und die Pflege von urbanen Grünflächen als Grundanliegen der Daseinsvorsorge und Baukultur anzuerkennen. Ihr Stellenwert ist mit anderen öffentlichen Belangen wie der sozialen Wohnraumversorgung, leistungsfähigen Verkehrssystemen, einer modernen Telekommunikations- und Energieinfrastruktur oder guten Bildungs- und Sozialeinrichtungen abzuwägen. Qualitätvoll angelegte, entwickelte und gepflegte Grün- und Freiflächen sind in hohem Maße dazu geeignet, die Attraktivität eines Standorts zu steigern und damit die Basis für eine wirtschaftlich gesunde kommunale Entwicklung zu schaffen.

Gestiegene Anforderungen an den Klimaschutz durch den weltweiten Klimawandel, ökonomische und infrastrukturelle Anpassungsprozesse, demographischer Wandel – Städte und Gemeinden stehen vor großen und neuen Herausforderungen.

Global betrachtet nimmt der Anteil der Menschen, die in Städten zuhause sind, verstärkt zu. Im Jahr 2008 lebten weltweit erstmals mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Bis 2050 soll die Zahl der Stadtbewohner nach Prognosen der Vereinten Nationen auf rund 75 Prozent steigen. Die Folgen der Urbanisierung sind gravierend:

In Städten werden rund 80 Prozent der weltweiten Energieressourcen verbraucht. Damit fallen hier auch die meisten CO2-Emissionen an.

Städte in der gemäßigten Klimazone Mitteleuropas erfahren zunehmend Extremwetterlagen. Lange und heiße Trockenperioden beeinträchtigen Wohlbefinden und Gesundheit. Starkregenfälle sowie Stürme und Orkane bringen wachsende Gefahren für Menschenleben und verursachen hohe Schäden bzw. Folgekosten.

In Deutschland ist bereits heute ein insgesamt hoher Verstädterungsgrad erreicht. Doch die Situa-tion ist regional gesehen deutlich unterschiedlich: Während florierende Zentren wie Hamburg oder Düsseldorf wachsen, nimmt die Bevölkerungszahl vieler Städte in strukturschwachen Gebieten kontinuierlich ab, zum Beispiel im Ruhrgebiet und in einigen Teilen Ostdeutschlands.